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Die Geschichte der nicht-russisch besiedelten Peripherie des Russischen Reiches und der Sowjetunion bildet einen Schwerpunkt meiner Forschung. Im Rahmen meines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Habilitations-Stipendiums (2008-2011) habe ich mich mit der Geschichte des nördlichen Kaukasus und seiner Völker unter russischer imperialer und sowjetischer Herrschaft beschäftigt. Die Habilitationsschrift habe ich 2013 an der Universität Zürich eingereicht. Daraus resultierten zahlreiche Publikationen, die unten aufgelistet sind, darunter die 2015 in der Reihe «Beiträge zur Geschichte Osteuropas» publizierte Monographie unter dem Titel «Der Nordkaukasus unter russischer Herrschaft. Geschichte einer Vielvölkerregion zwischen Rebellion und Anpassung». Eine überarbeitete englische Version meines Buches unter dem Titel «From Conquest to Deportation: The North Caucasus under Russian Rule» wurde im Juni 2018 bei Hurst Publishers (London) und Oxford University Press (New York) veröffentlicht. Ein ausführlicher Beschrieb meines SNF-Projekts sowie Publikationen und Veranstaltungen zum Thema sind unten aufgeführt.
Im Zentrum des Interesses am russländischen Vielvölkerstaat steht der Nordkaukasus, mit dessen Geschichte ich mich im Rahmen meines Habilitationsprojekts befasst habe. Dieses zeichnet die noch kaum erforschte Geschichte des Nordkaukasus und seiner Völker nach dem Ende der militärischen Eroberung durch das zaristische Russland ab den 1860er Jahren bis zur Tragödie der Deportation der Tschetschenen, Inguschen und anderer Nordkaukasusvölker im Zweiten Weltkrieg während der Sowjetherrschaft nach. Die Arbeit orientiert sich an drei Fragesträngen: Erstens interessiert, wie die jeweiligen Machthaber ihr Staatsbildungsprojekt im Nordkaukasus verstanden und mit welchen Mitteln sie ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen suchten. Zweitens geht dieses Projekt der Frage nach, wie die nichtrussischen Gesellschaften des Nordkaukasus – und wie einzelne Menschen – die von aussen herangetragenen Herrschaftskonzepte begriffen und wie sie auf die staatliche Politik reagierten – mit Widerstand oder Kooperationsbereitschaft? Drittens sucht dieses Forschungsvorhaben zu erklären, welche neuen Identitäten und Loyalitäten sich als Folge der Wechselwirkung zwischen staatlicher Politik und gesellschaftlicher Reaktion im Zeitraum zwischen 1864 und 1944 herausbildeten.
Ein Anliegen dieses Projekts ist es, einzelne zentrale Ereignisse und Abläufe der Geschichte, etwa die Zeit von Revolution und Bürgerkrieg 1917-1920 oder die grossflächigen Aufstände während der Totalkollektivierung 1929/1930, aufgrund neuer Archivmaterialen zu rekonstruieren, um nicht zuletzt den bis heute kursierenden Halbwahrheiten und Mythen in der Geschichtsschreibung begegnen zu können. Daneben sucht diese Arbeit das Thema Widerstand und Anpassung als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen auch durch das Nachzeichnen von konkreten Einzelschicksalen fassbar zu machen. Erst am Beispiel des Einzelschicksals wird klar, dass die Gründe, die einen Menschen zu bestimmten Handlungen veranlassen konnten, immer komplex und abhängig von den spezifischen Lebensumständen waren. Die Ergänzung der Makrobeschreibung um die Mikroperspektive ist nötig, um den Weg aus den eindimensionalen Betrachtungsweisen zu finden, welche in der Historiographie dominieren.
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Entwicklung in den von Tschetschenen bewohnten, nordöstlichen Teilen des Nordkaukasus. Die Volksgemeinschaften der Tschetschenen, die relativ homogen siedelten, bildeten nicht nur das grösste nichtrussische muslimische Volk im Nordkaukasus. Ihre Gebiete gehörten auch zu jenen Teilen des Nordkaukasus, aus denen über die gesamte Zeitspanne hinweg besonders häufig Unruhen und Aufstände vermeldet wurden. Ausgehend vom Blick auf Tschetschenien ist es ein Anliegen dieser Arbeit, den Vergleich zu den Entwicklungen in anderen nichtrussisch besiedelten Gebieten des Nordkaukasus zu ziehen, um so die Besonderheiten des tschetschenischen Falls, aber auch die Gemeinsamkeiten mit den gesamtregionalen Entwicklungen zu verstehen.
Das Projekt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds unter dem Titel "Zwischen Widerstand und Anpassung: Staatsbildungsprozesse und gesellschaftlicher Wandel im Nordkaukasus, 1864-1991" mit einer Laufzeit von drei Jahren (01.03.2008 bis 28.02.2011) gefördert.