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Der heutige Archivbegriff bezeichnet Institution sowie Gebäude und Bestand eines Archivs. Archive sind Orte, an denen Privatpersonen, Institutionen oder Behörden all das, was sie für aufbewahrungswert halten, ordnen und sammeln. In Archiven wird somit spezifisches Wissen zusammengetragen, das für die Frühe Neuzeit und Sattelzeit meist in Form von Schriftstücken überliefert ist. Als Verwaltungsinstrumente, aber auch Orte der Herrschaftspraxis und Wissenskonstruktion bilden Archive daher komplexe Systeme, in denen unterschiedliche Materialien und kulturelle Techniken in vielfältiger Beziehung zueinanderstehen. Für die Geschichtsforschung bedeutet dies zweierlei: Zum einen lassen sich die Archivalien selbst als Quellen auswerten. Zum anderen kann das Archivgut in seiner Gesamtheit im Sinne einer Archivkritik die Bedingungen der Überlieferungsbildung, die Machtstrukturen sowie die Ordnungs- und Selektionsprozesse untersuchen, unter welchen ein Archivbestand zusammenkommt. In diesem Fall wird das Archiv zu einem eigenen Untersuchungsgegenstand, der nach Orten des Wissens und der Wissensüberlieferung zu fragen erlaubt.
Was ist Gewalt?
Muss Blut fliessen oder reicht eine verletzende Bemerkung oder Geste? Und überhaupt, ändert sich Gewalt historisch oder gehört sie nicht vielmehr zu den unveränderlichen Eigenschaften der Menschheit?
Obwohl Geschichte voller Gewalt ist, hat die Geschichtsschreibung Gewalt zumeist nur als folgenreiches Ereignis betrachtet. Kriege, Königsmorde, Attentate sind hierfür ein Beispiel. Kriminalitätsgeschichte hingegen sucht Gewalt als Faktor geschichtlicher Entwicklungen von Gesellschaft zu erfassen [à link zu Ansatz Kriminalitätsgeschichte]. Gewalt ist eine illegitime körperliche, sprachliche und symbolische Grenzüberschreitung, welche diejenigen, denen Gewalt angetan wird, zu brechen sucht. Wo diese Grenze liegt, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich und daher historisch wie kulturell wandelbar.
Ein Beispiel: Wenn heute immer mehr Opfer sexueller Gewalt in Industrieländern an die Öffentlichkeit gehen und Schadensersatz fordern, setzt dies zweierlei voraus: Zum einen, dass Sexualität nicht (mehr) tabuisiert wird, zum anderen, dass bestimmte verbale Bemerkungen oder Körperkontakte nicht mehr als Harmlosigkeiten und banale Ausrutscher betrachtet werden.
Was macht Gewalt in einer Gesellschaft zu Gewalt, zu einer intolerablen Verletzung der Betroffenen? Dieser Grundsatzfrage nachzugehen, heisst wesentliche Normen sozialen Handelns und damit Gesellschaft in ihrem Wandel zu analysieren. [à link zu Loetz]
Violence
What is violence? Need it mean bruises and black eyes, or is a hurtful remark or gesture also a form of violence? Taking it further, we may ask whether violence changes in the course of history, or whether it is a changeless feature of human interaction. History is full of violence, yet historiography has for the most part regarded it simply as an event. War and regicide and assassination are typical examples. The history of crime on the other hand seeks to understand and explore violence as a factor in the historical development of societies. Violence is an illegitimate physical, verbal and symbolic norm transgression aimed at breaking those exposed to it. Where the transgression begins varies from one society to another and is thus historically and culturally changeable. To give an example: the fact that increasing numbers of victims of sexual violence in highly developed countries make the offence public and demand compensation assumes, firstly, that sexuality is no longer taboo, and secondly, that certain verbal remarks or body contacts are no longer regarded as harmless or something to be ashamed of. What constitutes violence in a given society, what constitutes an intolerable violation of the person concerned? Investigating this fundamental question means exploring essential norms of social action and thus tracing change in a society.
Worte können verletzten. So auch in der europäischen Frühen Neuzeit. Dem zweiten Gebot gemäß („Du sollst den Namen Deines Herrn nicht missbrauchen“) verletzten Gotteslästerer mit ihren Flüchen, Schwüren und Schmähungen die Ehre Gottes. Aber taten sie allein dies?
Wie sich an Hand von Justizakten und theologischen Texten zeigen lässt, meinten Gotteslästerer mit ihren Worten noch viel mehr als das, was sie mit ihren „unchristlichen Worten“ sagten. Sie provozierten Gott und die Welt, disputierten über religiöse Fragen, rangen mit ihrem Schöpfer und vollzogen dabei Sprechhandlungen, die auf spezifische politische, soziale sowie religiöse Kontexte verwiesen und die entsprechende Reaktionen auslösten. Nicht nur die Ehre Gottes stand auf dem Spiel, sondern auch die Ehre der Gotteslästerer und ihrer Adressaten. Das Delikt der Gotteslästerung u.a. mit Mitteln der Sprachpragmatik [link zu Ansatz Sprache zu analysieren, heißt daher zwei Grundsatzfragen zu behandeln: die nach der Bedeutung religiöser Normen für ihre jeweiligen Gesellschaften zum einen und die nach der Konzeptionalisierung einer Neueren Kulturgeschichte des Religiösen zum anderen. [link zu Loetz]
Blasphemy
Words can hurt, today as in the Early Modern era. According to the second commandment (“You shall not take the name of the Lord in vain”), blasphemers harm God’s honour with their cursing, swearing and abusing God. But is that the whole story? Records of the judiciary as well as theological texts reveal that blasphemers meant a great deal more than they said in their “unchristian words”. They provoked God and the world around them, they disputed religious questions and they struggled with their creator. In doing so, they executed speech actions which had reference to specific political, social and religious contexts and gave rise in turn to corresponding responses. It was not only God’s honour which was at stake, but also that of the blasphemers and those they addressed. Analysing the offence of blasphemy by means of pragmatics means treating two fundamental questions: that of the meaning of religious norms in a given society, and that of the conceptualisation of a cultural history of religiousness.
Prostitution, when defined as the exchange of sexual services for monetary compensation, is in fact a modern concept, far from the ahistorical and unchanging "world's oldest profession" it has often been labelled as. In fact, prostitution as a phenomenon underwent extensive changes during the early modern period, from broader legal developments such as criminalization and deinstitutionalization to the very words used for the individuals involved. What were these changes, and how do they relate to the central developments of the era, such as the Reformation? How should we picture the lives of prostitutes: what were their travel routes, their family connections, and their economic circumstances? This project explores such questions using the theoretical approaches of historical anthropology and microhistory, as well as the perspectives of gender history and the history of sexuality.
Wie ein Blick in die frühneuzeitlichen Zürcher Quellen zeigt, erfüllten die Zürcher Pfarrer ein breites Spektrum an seelsorgerlichen Aufgaben, die dem Seelenheil ihrer Schäfchen dienten. Als Hüter der Seele und als Wächter sowohl der göttlichen wie auch weltlichen Gesetze begleiteten sie ihre Pfarrangehörigen auf dem Lebensweg und unterstützten gleichzeitig den Zürcher Rat bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Sie besuchten Kranke und Sterbende, betreuten Suizidgefährdete, begleiteten zum Tode Verurteilte bei der Hinrichtung, trösteten Hinterbliebene, vermittelten bei Ehe- und Familienkonflikten und ermahnten respektive belehrten diejenigen, die vom rechten Weg abgekommen waren – um nur einen Teil ihrer vielfältigen Tätigkeiten zu nennen. Ziel des Dissertationsprojektes ist, für den Raum des frühneuzeitlichen Zürichs die drei Dimensionen seelsorgerlichen Handelns, sprich das Trösten, Ermahnen und Belehren, aus praxeologischer Perspektive zu untersuchen.