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Historisches Seminar

Andreas Knörr

Geschichtsunterricht innerhalb der Nationalen Erziehung 1930 – 45: Themen, Inhalte und Bedeutung

Eine Untersuchung zur Geschichte des Geschichtsunterrichts anhand der Zürcher Volksschule

Am 26. Schweizerischen Lehrertag Ende Mai 1937 in Luzern, der unter dem pathetischen Thema „Die staatsbürgerliche Erziehung, eine Schicksalsfrage der Demokratie“ abgehalten wurde, verabschiedete die Lehrerschaft unter anderem folgende Entschliessung: „Der staatsbürgerliche Unterricht soll die jungen Schweizer und Schweizerinnen mit Land, Volk und Staat vertraut machen, eine echte, im staatlichen Gemeinschaftsbewusstsein verwurzelte, vaterländische Gesinnung schaffen und für die auf die Verbundenheit des Volkes bedachte Erfüllung der staatsbürgerlichen Aufgaben begeistern.“ Wie ist solch grosses Nationalpathos zu erklären?

Die geistige Landesverteidigung, nach Criblez „ein nationalpädagogisches Programm“, kann historisch nicht nur als geistige Verteidigung nach aussen, sondern auch als geistige Rückbesinnung auf die staatlichen und kulturellen Grundlagen der Schweiz nach innen interpretiert werden. Von dieser geistigen Rückbesinnung waren unter anderem auch die Lehranstalten – Universität, Mittelschule und Volksschule – stark betroffen. Unter der Chiffre ‚Nationale Erziehung’ versuchten die Schulen, im Zuge der geistigen Landesverteidigung die Schweizer Jugend auf den Nationalstaat Schweiz zu trimmen. Die Nationale Erziehung der dreissiger und vierziger Jahre kann nicht nur auf ein Fach – gemäss den Forderung von Luzern auf den ‚staatsbürgerlichen Unterricht’ – reduziert werden; Nationale Erziehung war eher ein umfassendes, fundamentales Programm, an dem sich die ganze Schulkultur orientierte.

Innerhalb dieser Nationalen Erziehung nahm der Geschichtsunterricht eine wichtige Funktion ein. Für die ‚Willensnation Schweiz’ war die gemeinsame, historische Tradition eine wichtige, wenn nicht die einzige Komponente, auf die sich die Nation berufen konnte. Das Nationalbewusstsein, das gemäss der Nationalen Erziehung ja gefördert werden sollte, war stark mit der ‚nationalen’ Geschichte verwurzelt, wie auch der Historiker Hans von Greyerz prägnant betonte: „Ein Volk wird Nation, indem es zu seiner eigenen Geschichte ein formulierbares Verhältnis gewinnt.“ Geschichte wurde dementsprechend als eines der zentralen Fächer zur Transportierung von nationaler Gesinnung angesehen. Etwas radikaler ausgedrückt: Geschichtsunterricht hatte die Funktion, nationale Identität zu konstruieren, was sich z. B. innerhalb der Geschichtsdidaktik in der Mythologisierung der Schweizer Gründungsgeschichte –Stichwort Wilhelm Tell – auswirkte.

Die Lizentiatsarbeit beschäftigt sich mit diesem ‚gesinnungsbildenden’ Geschichtsunterricht der Nationalen Erziehung in den dreissiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Konkrete Fragestellung: Wie wurde Geschichte innerhalb der Nationalen Erziehung von 1930 – 45 unterrichtet? Welche Themen, welche Inhalte wurden dabei behandelt und welche Ziele verfolgt?

Angesichts der Fragestellung bedarf es einiger Einschränkungen. Die stark föderalistische Schullandschaft der Schweiz macht eine schweizweite Behandlung der Thematik unmöglich, dementsprechend wird der Untersuchungsraum auf die Volksschule des Kantons Zürich gelegt. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung ergibt sich aus der Thematik: Die Diskussion um die Nationale Erziehung innerhalb der geistigen Landesverteidigung beginnt in den frühen dreissiger Jahren, hat ihren Höhepunkt um das Jahr 1940 und schwächt sich mit dem Ende des zweiten Weltkrieges wieder ab.

Um ein möglichst allgemeines Bild der damaligen Schulkultur zu erhalten, wird zunächst die allgemeine Umsetzung der Nationalen Erziehung in der Zürcher Volksschule thematisiert: im Blickfeld sind Behörden, Lehrerschaft und Unterrichtsfächer. Ausgehend von diesem breiten Abriss liegt der Fokus danach auf dem Geschichtsunterricht: Anhand der Quellenbasis (Stundentafel, Curriculum und Lehrmittel) soll dieser untersucht und abgehandelt werden – immer mit der Aussicht, einen Beitrag zur der Geschichte des Geschichtsunterrichts zu liefern.

Andreas Knörr, 24. November 2006

 

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