Navigation auf uzh.ch
Im neu erschienenen, von Philipp Winterhager herausgegebenen Sammelband «Verzicht. Mediävistische Perspektiven» wird Verzicht als Gegenstand der interdisziplinären Mittelalterforschung betrachtet. Silvia Negri geht in ihrem Aufsatz dem Verzicht durch Flucht aus Demut nach.
Der Dominikaner Guillelmus Peraldus (um 1200–1271) bezeichnete den Verzicht auf das Begehren, sich gegen andere durchzusetzen, anerkannt und insbesondere von anderen gelobt zu werden, als fuga altitudinis, Flucht vor Überhöhung. Demutstheorien und -praktiken als Haltung des Verzichtens darauf, sich durchzusetzen, wohnte eine Logik des Gewinnes inne, der zufolge das Hier und Jetzt in Bezug auf das Woanders und Irgendwann Bedeutung hat. Die Praktizierung der Demut verspricht eine geistige, künftige Belohnung.
Mit Blick darauf, dass Verzicht auch Verlassen bedeuten kann, zeigt sich die Involviertheit des Körpers – oder bei einer mentalen Flucht des Geistes – als Ganzes. Man flieht also mit allen Kräften, um anderswo zu sein, um Zuflucht zu finden. Sucht man in der spätmittelalterlichen Toskana nach Modellen, Logiken und Semantiken des Verzichtens, müssen diese Verlagerung, die eine anhaltende und umfassende Anstrengung erfordert, die körperliche Kraft, derer dieses Sich-Losreissen bedarf, und der Schutz, den diese Anstrengung zu gewinnen hofft, beachtet werden.
Silvia Negri: Flucht aus Demut und Eifer. Verzicht als Gewinn, in: Philipp Winterhager (Hg.): Verzicht. Mediävistische Perspektiven, Freiburg im Breisgau: wbg Academic in der Verlag Herder GmbH, S. 91–108. Open Access (PDF, 396 KB)
Mehr Informationen zum Sammelband sowie zur gebundenen Ausgabe (der Sammelband ist als PDF im OA kostenlos herunterladbar): Herder Verlag.