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Urkunden gehören zu den wichtigsten mittelalterlichen Quellengattungen. "Eine Urkunde ist ein in bestimmten Formen abgefasstes, beglaubigtes und daher verbindliches Schriftstück, das ein Rechtsgeschäft dokumentiert." (Goetz, Proseminar Mittelalter, S. 135)
Urkunden werden je nach Aussteller/Ausstellerin in verschiedene Kategorien unterteilt:
Ebenso können Urkunden nach ihrer Überlieferung unterschieden werden. Wenn die Urkunde nicht als einzelnes Original (Autograph) vorliegt, gibt es folgende Traditionslinien:
Bereits Editionen von Urkunden liefern zahlreiche Hinweise, die bei der quellenkritischen Erschliessung helfen können, wie folgendes Beispiel einer in den MGH edierten Urkunde König Heinrichs IV. für die bischöfliche Kirche von Lausanne aus dem Jahr 1079 zeigt:
Legende: (1) Laufnummer der Edition (wichtig für das Zitieren von Urkunden); (2) Kurzzusammenfassung (auch Kopfregest genannt, siehe dazu unten); (3) Ort und Datum der Ausstellung (Angaben in eckigen Klammern unsicher); (4) Handschriftliche Überlieferung; (5) Drucke, Editionen und Regesten; (6) Aussagen zur Quellenkritik.
Die meisten Urkunden folgen einem einheitlichen, formelhaften Aufbau. Für die einzelnen Teile haben sich in der Diplomatik (=Urkundenlehre) eigene Bezeichnungen etabliert.
Dies lässt sich am selbigen Beispiel demonstrieren:
Legende: (1) Protokoll: Invocatio (Anrufung Gottes als "wahrer Aussteller"); Intitulatio (Titel des Ausstellers/der Ausstellerin/Legitimationsformel); (2) Kontext: Arenga (religiöse Begründung der Urkundentätigkeit); Narratio (Vorgeschichte und Empfänger/in, auch Petent/in genannt); Dispositio (konkreter und genauer Rechtsinhalt); Corroboratio (Beglaubigungsmittel und Siegelbefehl); (3) Eschatokoll: Signum (Unterschrift); Recognitio (Kontrolle der Kanzlei); Apprecatio (Segenswunsch).
Bei Regesten (von lat. regesta, dt. Register, Urkundenauszüge, Verzeichnisse) handelt es sich um eine Zusammenfassung von Quellen, zumeist Urkunden. Bei Urkunden wird dabei auf den rechtsrelevanten Inhalt fokussiert. Regesten sind also nicht identisch mit der Quelle bzw. Urkunde, sondern bereits eine sekundäre Auseinandersetzung mit der Quelle in einem Forschungskontext.
Moderne Regestensammlungen konzentrieren sich vor allem auf einen Aussteller/eine Ausstellerin und bieten weiterführende Informationen zur Quellenerschliessung. Neben den Angaben von Aussteller/in, Empfänger/in, dem Rechtsinhalt sowie Ort und Datum geben die meisten Regesten auch Auskunft über die Quellen- und Überlieferungssituation, zur Forschungsliteratur oder bieten einen Sachkommentar.
Mit Hilfe von Regesten lässt sich der Itinerar eines Austellers/einer Ausstellerin, also seine/ihre Rechtshandlungen und Reisen nachvollziehen. Sie ermöglichen es somit, einen raschen Überblick über das Wirken bestimmter Persönlichkeiten oder die Überlieferung und den Kontext von historischen Ereignissen zu gewinnen.
Zu beachten ist zudem die Unterscheidung in Kopf-, Kurz- und Vollregesten. Während Kopfregesten zumeist in einem kurzen Satz und Kurzregesten nur leicht ausführlicher über den Inhalt einer Quelle informieren, referiert ein Vollregest den gesamten Inhalt und kommt häufig einer Transktiption der Quelle gleich. Floskeln und Formeln werden zwar weggelassen, wichtige Textpassagen aber wörtlich wiedergegeben.
Die Regesta Imperii (abgekürzt RI oder Reg. Imp., dt. Register des Reiches, Urkundenauszüge des Reiches) gehören zu den grossen Quellenwerken der deutschen und europäischen Geschichte. Sie beinhalten Regesten aller urkundlichen und historiographischen Quellen der römisch-deutschen Könige (von den Karolinger bis Maximilian I.) und der Päpste des frühen und hohen Mittelalters.
Begründet wurde das Inventar vom Frankfurter Stadtbibliothekar Johann Friedrich Böhmer (1795-1863), der damit begann, Urkunden deutscher Könige und Kaiser zu sammeln und herauszugeben.
Eigentlich waren die RI als Vorarbeit zu MGH gedacht, jedoch entwickelten sie sich nach Böhmer zu einem Regestenkonzept, das eine exakte Wiedergabe von Form und Inhalt von Urkunden und historiographischen Kurznachrichten beinhaltete.
Heute gehört das Online-Projekt zu der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz in Partnerschaft mit der Österreichischen und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.
Die inzwischen über 190‘000 Regesten umfassende Sammlung der RI liegt sowohl in einer Druck- als auch in einer Onlineversion vor. Beide Versionen können über die Webseite der RI konsultiert werden.
Die Bände der Druckversion können online manuell durchgeblättert werden. Eine Gesamtübersicht sowie die PDFs der einzelnen Bände finden sich hier.
Die Onlineversion der RI kann mittels Schnell- oder Expertensuche durchsucht werden. Während die Schnellsuche eine Recherche nach Stichworten bietet, erlaubt die Expertensuche zusätzliche Einschränkungen der Suche nach Jahr, Band, Abteilung, Regestentext, Überlieferung, Kommentar sowie Nachträge. Eine weiterführende Anleitung findet sich hier.
Die RI bieten neben einer Zusammenfassung des rechtsrelevanten Inhalts der jeweiligen Urkunde sowohl Informationen zur Überlieferung, zu frühen Drucken, allfälligen Editionen sowie zu relevanter Literatur, in denen die entsprechende Urkunde thematisiert wird. Online verfügbaren Ressourcen werden direkt verlinkt, bspw. die Urkundenbände der MGH (hier MGH DD 6, S. 409, Nr. 311).
Bei einigen Regesten findet sich zudem ein ausführlicher Kommentar, der weitere Informationen zur Datierung, zu allfälligen Forschungskontroversen und relevanten Personen gibt.
Die RI bieten mit ihrem OPAC-Katalog zudem bei der Literatursuche ein wertvolles Hilfsmittel an: Die Datenbank berücksichtigt Literatur aller für die mediävistische Forschung relevanter Disziplinen des gesamten europäischen Sprachraumes. Mit über 2,5 Millionen Titeln listet sie sowohl selbstständige (Monographien) wie auch unselbstständige Schriften (Zeitschriftenartikel, Aufsätze, Buchbeiträge etc.) auf. Zudem werden online verfügbare Titel direkt mit dem PDF verlinkt.
Wie beim LexMA werden die Regesten der RI zitiert und bibliographiert, als ob die Druckversion verwendet worden wäre.
Über die Onlineversion der RI lässt sich leicht erschliessen, in welchem Band das Regest erschienen ist. Das folgende Beispiel ist ein Regest, das die oben erwähnte Schenkung König Heinrichs IV. an die bischöfliche Kirche von Lausanne aus dem Jahr 1079 zusammenfasst. Über der Angabe von Datum und Ort des Regests findet sich die Angabe "RI III,2,3 n. 963".
Diese Angabe kann in den Fussnoten einer Arbeit als Abkürzung verwendet werden. Die Abkürzung setzt sich aus den folgenden Elementen zusammen
In der Bibliographie werden Regesten bei den Quellen aufgeführt, allenfalls zusammengefasst unter dem Titel "Verzeichnis der Quellen und Regesten". Bibliographiert wird der gesamte Titel des Regestenbandes, und zwar so genau wie möglich. In der Gesamtübersicht aller Bände auf der Webseite der RI finden sich dazu alle bibliographischen Angaben:
Das obige Regest ist also im Jahr 2016 in der 3. Lieferung der Regesten zu Heinrich IV. erschienen. In der Bibliographie wird der Titel gemäss Kompass Geschichtsstudium dann folgendermassen aufgenommen:
Die Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich IV. 1056 (1050)–1106, 3. Lief.: 1076–1084, bearb. von Gerhard Lubich nach Vorarbeiten von Daniel Brauch unter Mitarbeit von Dirk Jäckel, Köln; Weimar; Wien 2016 (J. F. Böhmer, Regesta Imperii III,2,3).
Zusammengestellt von Johannes Luther und Linda Eichenberger